Die Alleskönner haben Hochkonjunktur: Ganzjahresreifen sind gegenwärtig das am stärksten wachsende Segment im Markt und besonders bei Fahrern von SUV beliebt. Nach der Auto Zeitung starten auch die Reifentester bei AutoBild Allrad mit Ganzjahresreifen in die Wintersaison. Ihr Motto: Sind die Alleskönner wirklich eine sichere Lösung? Auf dem umfangreichen Testprogramm der Crew um Dierk Möller und Henning Klipp standen zehn Kandidaten für mittelschwere SUV in der Standarddimension 215/65 R17, die sich auf einem aktuellen VW Tiguan beweisen und bewähren mussten. Eins vorweg: Die Reifen sind gut - nur einer fiel durch.
Autobild Allrad Ganzjahresreifentest (SUV) 2021 in der Dimension 215/65 R17Testfahrzeug: VW Tiguan |
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Platz | Profil | Schnee | Nass | Trocken | Urteil und Angebote | |
1- | 2+ | 2 |
vorbildlich |
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2. Platz |
MICHELIN CrossClimate 2 |
1- | 2- | 1- |
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3. Platz | 2 | 2+ | 2- |
gut |
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4. Platz | 1- | 1- | 2- |
befriedigend |
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5. Platz |
BRIDGESTONE WEATHER CONTROL A005 EVO |
2+ | 2+ | 2- |
befriedigend |
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6. Platz | 2- | 2+ | 2 |
befriedigend |
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7.Platz |
2+ | 2- | 2 |
befriedigend |
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8.Platz |
2 | 2- | 2 |
befriedigend |
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9.Platz |
2- | 2 | 2- |
befriedigend |
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10.Platz |
3+ | 4 | 3+ |
nicht empfehlenswert |
Die Bewertung erfolgt in Schulnoten von 1 = "sehr gut" bis 6 = "ungenügend". Die Hersteller stehen in der Reihenfolge ihrer Qualitäten.
Breite Auswahl an “Alleskönnern”
Ganzjahresreifen rollen derzeit den Markt auf. Und das ist besonders im Fahrzeugsegment der SUV der Fall. Hier liegt der Marktanteil mittlerweile bei rund 20 Prozent bei steigender Tendenz - klar, wer möchte schon gern zweimal im Jahr Reifen wechseln, wenn er das nicht unbedingt muss. denn auch technisch gesehen besteht dazu nicht unbedingt ein Grund, wie die Tester nicht müde werden, das zu betonen. Das zeigen allein die letzten sechs Jahre Reifentestgeschichte. Konnten anfangs die Allwetterpneus den Spezialisten für Winter und Sommer “nicht das Wasser reichen”, änderte sich das kolossal, “als Michelin vor sechs Jahren den CrossClimate vorstellte”, so fasst die AutoBild die Entwicklung zusammen. Dessen gute Performance auf Schnee und im Trockenen veranlasste dann auch hartnäckige Ganzjahresreifen-Verweigerer wie Continental letztendlich dazu, ein Produkt wie den AllseasonContact auf den Markt zu werfen, der sogleich auch im Test ähnlich gut performte.
Inzwischen will kein renommierter Hersteller abseits stehen, was der Auswahl im Markt außerordentlich gut tut. Die Palette der zehn Testkandidaten deckt sämtliche Preiskategorien ab und reicht von Premiummarken bis in den Low Budget-Bereich. Dabei sind die Premium-Produkte Bridgestone Weather Control A005 Evo, Continental AllSeasonContact SUV, der Klassiker Goodyear Vector 4Seasons Gen-3 SUV, der neueste und in diesem Jahr präsentierte Michelin CrossClimate 2, der Pirelli Cinturato All Season SF 2 sowie der Kinergy 4S2 X der preisgünstigen Premiummarke Hankook. Den mittleren Bereich decken die Vredestein mit dem Quattrac Pro, Cooper mit dem Discoverer All Season und Maxxis mit dem Premitra All Season AP3 SUV ab. Der günstigste Reifen im Bunde ist der Imperial All Season Driver aus chinesischer Produktion. Alle Reifen entsprechen der Geschwindigkeitsklasse V und sind bis 240 km/h einsetzbar.
AutoBild vergleicht 10 Ganzjahresreifen in 215/65 R17V am VW Tiguan. Foto: ampnet
Vierzehn Testdisziplinen
Ob diese “Alleskönner” nun wirklich alles können müssen sie im Test beweisen. Und diese sind, das liegt in der Natur der Sache bei Ganzjahresreifen, besonders umfangreich. Unter allen Witterungsbedingungen wird getestet und das erfordert nicht weniger als 14 Diziplinen auf 2 Testgeländen: Die Winterperformance der Kandidaten erprobten die Tester in einer Halle nahe dem finnischen Ivalo bei -8 Grad, wo die Bedingungen besonders konstant bleiben, was wiederum ein Höchstmaß an Vergleichbarkeit bietet. Für die Sommerperformance musste einmal mehr das Contidrom herhalten. Besonders lobenswert bei diesem umfangreichen Test der AutoBild ist die Verwendung von jeweils einem Sommer- und einem Winterreifensatz als Referenz. Das macht deutlich, wie weit die Performance der Ganzjahresreifen gediehen ist.
So kamen alle üblichen Testdisziplinen für Winter- und Sommerreifen zum Einsatz: Traktion, Handling, Bremsen und Slalom auf Schnee, bei Nässe Aquaplaning und Kurvenaquaplaning, Handling, Kreisbahn und Bremsen sowie im Trockenen Handling, Geräusch, Bremsen und Rollwiderstand.
Referenzreifen sind mit von der Partie
Es ist schon erstaunlich, wie gut sich die Ganzjahresreifen auf in diesem Test geschlagen haben.Auch im Vergleich zu den Referenzreifen. Nur einige Beispiele: Klar liegt der Sommerreifen in der typischen Sommerdisziplin, dem Trockenhandling, vorn. Aber nur hauchdünn vor dem besten Ganzjahresreifen von Michelin. Und in dieser Disziplin liegen auch die schlechtesten Allwetterpneus vor dem Winterreifen, der hier das Schlusslicht bildet. Na klar hat der Winterreifen auf Schnee eine überragende Traktion. Aber er wird glatt geschlagen von dem besten Ganzjahresreifen von Hankook.und die meisten Allseasons sind kaum schlechter. Der Sommerreifen dagegen versagt völlig. Und bei Nässe tummeln sich die beiden Spezialisten in den Disziplinen Aquaplaning, Kurvenaquaplaning, Handling und Kreisbahn, die alle stabile Seitenführung, Grip und Balance vorn und hinten erfordern, mitten unter den Ganzjahresreifen als wären sie ein Teil von ihnen. Nur beim Nassbremsen, da ist der Sommerreifen unschlagbar. Also: Hut ab vor dieser Leistung!
Testsieg für Hankook im starken Feld
Das lässt auf gute Einzelergebnisse schließen. Bis auf eine Ausnahme: Der China-Import Imperial versagt in der zentral wichtigen Disziplin Nassbremsen aus 100 km/h kolossal und steht geschlagene sieben Meter später als der vorletzte. Noch schlimmer: Wenn der Sommerreifen steht, ist der Imperial noch mit 48,7 km/h unterwegs. Überhaupt: Nässe ist seine Sache nicht. Das allein reicht schon für die Disqualifikation. Klarer Fall, da nutzt auch eine leidlich gute Traktion im Schnee nichts mehr, das Urteil lautet “nicht empfehlenswert”.
Ganz anders der Hankook, der sich im Schnee pudelwohl fühlt und nicht nur dort “mit überzeugenden Fahreigenschaften bei allen Witterungsverhältnissen” die Nase vorn hat. Voll des Lobes sind die Tester, die “stabil sicheres Nass- und Trockenhandling, präzise Lenkung, hohe Aquaplaningsicherheit, leises Abrollgeräusch attestieren. Und das Beste: Im starken Feld der Guten ist der Kinergy 4S2 X der Günstigste. Wertung: “Testsieger” und “Vorbildlich”. Und so geht es weiter: Zweiter wird Michelin “mit vorbildlichen Fahreigenschaften auf verschneiter und trockener Piste”, kurzen Bremswegen, wenig Rollwiderstand - nur bei Nässe untersteuert der CrossClimat 2 leicht. Dennoch Note “gut”. Die Note erhält Allwetter-Klassiker Vector 4Season von Goodyear ebenfalls, der sich auch als “Allroundtalent” mit hohem Leistungspotential auf trockener und nasser Piste zeigt. Hier sind es “leicht verlängerte Trockenbremswege”, die die höhere Wertung verhindern. Das gleiche Manko plagt auch die Nummer vier, den Continental AllseasonContact SUV als ersten von sechs mit “befriedigend” bewerteten Reifen, der ansonsten mit “Spitzenleistungen auf verschneiter und nasser Piste” aufwarten kann. Ähnlich der fünftplatzierte Bridgestone Weather Control A005 Evo. Gut auf Schnee und Nässe, dort sind auch die Bremswege kurz, die Traktion gut - nur auf trockenem Geläuf haperts etwas. Den sechsten Platz haben die Tester doppelt vergeben, die in der Summe ähnliche Performance auf unterschiedlich ausgelegte Eigenschaften verteilen: Die erste Nummer sechs von Vredestein bringt “überzeugende Fahreigenschaften auf nasser und trockener Piste und leistet sich Schwächen durch “untersteuerndes Schneehandling”. Gegenüber dem Quatrac Pro profiliert sich der Pirelli Cinturato All Season SF2 eher auf Schnee durch “hohe zugkraft und kurze Bremswege”, untersteuert aber gerne auf nasser und trockener Strecke. So landet der Maxxis auf dem achten Platz, der sich mit leicht untersteuerndem Fahrverhalten und verlängerten Bremswegen bei Nässe abfinden muss. Immerhin: gute Wintereigenschaften und stabiles Trockenhandling attestieren die Tester. Vorletzter, aber weit vor dem Schlusslicht Imperial, wird der Discoverer All Season von Cooper, der die Gruppe der “befriedigend” bewerteten Reifen abschließt. Kurzum: Schnee gut, Aquaplaning gut, aber untersteuert gern beim Handling auf Schnee und Nässe.Auffallend schlecht: der Rollwiderstand, kein Reifen zum Spritsparen.
Fazit: (Fast) alles wird gut
Sehr erfreulich ist das mittlerweile hohe Leistungsniveau bei den Ganzjahresreifen auf breiter Front. Das zeigt gerade der Vergleich mit den Referenzreifen aus dem Sommer- bzw. Wintersegment. Der Kompromiss bleibt, aber die Tester sind überzeugt: “Es gibt ihn wirklich, den einen Reifen, mit dem man bei jeder Witterung sicher unterwegs ist.” Das eben war vor gut sechs Jahren noch nicht der Fall. Die Entwicklungsingenieure der Reifenhersteller haben gute Arbeit geleistet. Bei dem hohen Niveau kommen allerdings manche nicht ganz mit. Die Reifentests bringen es an den Tag.