Im Test der auto motor und sport geht es um Winterreifen für die gehobenen Ansprüche der oberen Mittelklasse, das sind größere Limousinen, Coupés oder auch SUV vom Schlage eines BMW Siebener, X3, Mercedes S-Klasse, Volvo XC40 oder vergleichbare Fahrzeuge dieser Klasse, die mit der Reifendimension 245/45 R19 V/W ausgerüstet werden können. Acht Reifenmodelle haben sich die Tester in diesem Segment zur Brust genommen. Zur Erprobung dienten der auto motor und sport-Crew ein Audi A6 und A7 Quattro mit über 300 PS als Testfahrzeuge. Dabei überrascht es nicht, dass hier wieder die Premiummarken ganz vorne landen. Auch nicht neu ist, dass die Tester trotz des Trends zu Ganzjahresreifen dem Einsatz von Winterreifen das Wort reden, an denen “kein Weg vorbei” führe. Neu ist aber, dass der Klimawandel nun auch in die Bewertungskriterien der Tester Einzug hält und die Maßstäbe ändert. Aber trotzdem schneidet die Hälfte der Testkandidaten mit “sehr gut” ab.
(8 Winterreifen in der Dimension 245/45 R19 V/W standen bei auto motor und Sport auf dem Prüfstand. Testfahrzeuge Audi A6 & A7 Quattro)
Die Auswahl der Kandidaten: Premium und Qualität
Auch in den Dimensionen für die obere Mittelklasse bietet der Markt eine reichhaltige Auswahl an Produkten in allen Preiskategorien vom Premium- bis in das Budget-Segment. Die Beschränkung des Tests auf acht Modelle spiegelt große Teile des Marktes nicht wider. Aber das ist auch gar nicht die Absicht der Tester. Billigreifen aus dem Budget oder gar Low-Budget Segment passen weder zur Fahrzeugkategorie der oberen Mittelklasse noch zur Leserzielgruppe der auto motor und sport. Geiz ist hier nicht geil, weder finanziell noch bei der Leistung.
Zum Einsatz kommen also Markenprodukte wie der Bridgestone Blizzak LM 005, der Continental WinterContact TS 870 P und der Michelin Pilot Alpin 5 aus dem absoluten Premium-Segment sowie die Zweitmarken Firestone Winterhawk 4 (von Bridgestone) und Uniroyal Winter Expert (von Continental). Der Falken Eurowinter HS01 aus dem japanischen Großkonzern Sumitomo, der Cooper Discoverer Winter - inzwischen eine Marke des Goodyear-Konzerns - und der zum indischen Apollo-Konzern gehörende Vredestein Wintrac Pro runden das Testfeld ab.
Aus der Premium Riege der weltgrößten drei Reifenhersteller fehlt allerdings Goodyear und aus den Top 10 beispielsweise fehlt Hankook, deren Marktbedeutung auch gewachsen ist. Und seit Pirelli in chinesischer Hand ist, sind Tests dieser italienischen Marke generell immer seltener geworden.
Klimawandel: Nässeeigenschaften werden wichtiger
Das Wetter ändert sich und diesem Wandel wollen die Tester Rechnung tragen: “Es ist richtig”, formuliert es Reifentester Thiemo Fleck in seinem Bericht, “die Schneetage in Deutschland werden weniger, die Wahrscheinlichkeit schneebedeckter Fahrbahnen nimmt wegen des wärmeren Klimas und der intensiveren Schneeräumung ab.” Dem hätten auch die Reifenentwickler längst Rechnung getragen, so Fleck. Demnach habe nun die sichere Haftung “auf kalten, nassen Untergründen, hohe Aquaplaning und Schneematschsicherheit …an Bedeutung gewonnen und drängen die stark winterspezifischen Eigenschaften wie Schnee- und Eistraktion zunehmend zurück”, stellt der Tester fest. Das hat dann auch Konsequenzen für die Bewertung der Produkte im Test. “Während bislang die Ergebnisse auf Schnee zu einem knappen Drittel (30%) in die Wertung einflossen, werden wir mit diesem Test die Schneeresultate erstmals um ganze zehn Prozent weniger gewichten. Um fünf Prozent mehr entscheiden dafür die Nässequalitäten der Winterreifen.” Und noch mehr ändert sich: Der “heute besonders im Fokus stehende, kraftstoffverbrauchsrelevante Rollwiderstand sowie die Geräuschemission der Reifen gehen nun ebenfalls mit fünf Prozent mehr Gewicht in die Gesamtnote ein.”
Die Ergebnisse: Michelin und Continental vorn
Wen wundert’s, die üblichen Verdächtigen landen vorn. Den hohen Ansprüchen der leistungsstarken Fahrzeuge wird am besten der Michelin Pilot Alpin 5 gerecht: “Ausgezeichnete Fahrdynamik mit direktem Lenkansprechen, hohem Gripniveau, breiten Reserven und bester Balance auf Schnee, kürzeste Bremswege, hohe Kurvenfestigkeit und tolle Lenkpräzision auf trockenen Strecken” schwärmt der Testbericht in der Beurteilung. Aber nicht so, dass es nicht doch etwas zu verbessern gäbe: “Defizite beim Bremsen auf Nässe, früh einsetzendes Aquaplaning besonders in den Kurven, schwach hörbares Laufgeräusch bei Kurvenfahrt”. Da schlagen also die veränderten Bewertungskriterien zu Buche. Dennoch lautet das Endurteil “sehr gut”. Die gleiche Note erhalten denn auch drei weitere Testkandidaten, als nächstes folgt der Continental WinterContact TS870 P auf dem Fuße, der auch mit 8,5 von zehn möglichen die gleiche Punktzahl erreicht. Die Bewertung klingt nicht ganz so gut, aber doch ähnlich wie beim Michelin: “Trotz kleiner Defizite im Kurvengrip ein sehr einfach kontrollierbares Handling auf Schnee und Eis mit breiten Reserven.” Endnote: Sehr gut. Aber: “Der ausgewogene, trocken-starke Continental ist auf Nässe nicht mehr up to date.” Holla, das erstaunt, wo doch die Nässeeigenschaften gerade so wichtig geworden sind trotz Defizite im Nassen die Note “sehr gut”. Und dem folgen gleich noch zwei andere Reifen. Da rollt der Vredestein Wintrac Pro mit 8,1 Punkten auf Platz 3 mit der Bewertung: “Sehr gute Traktion und Bremsen auf Schnee. Recht ausgewogene Nässeeigenschaften, sicherer Spurwechsel.” Aber: “Eingeschränkte Beherrschbarkeit im Grenzbereich nass. Längere Bremswege auf trockenem Asphalt. Trotzdem aber: “Der Nässekönig; mit kleinen Schwächen traktionsstark und sicher bei jedem Wetter”. Nur einen Hauch dahinter platziert sich der Bridgestone Blizzak LM005: “Sehr ausgewogen, verlässlich und leicht beherrschbar auf Schnee.Kürzeste Bremswege durch sehr gute Haftung auf Nässe”, verliert aber beim Trockenbremsen.
Bridgestones Zweitmarke Firestone mit dem FireHawk 4 empfiehlt sich mit der Note “gut” als “dynamischer Schneespezialist” allerdings mit Defiziten: “Schwaches Bremsen und wenig Haftungsreserven, dazu lastwechselempfindlich auf Nässe” - im Grunde ein eher traditioneller Winterreifen der nach den alten Bewertungskriterien etwas besser abschneiden könnte.
Damit ist Schluss mit den als “gut” beurteilten Produkten. Der Rest rettet sich mit deutlichem Abstand punktgleich mit dem Urteil “ausreichend” über die Runden. Der Cooper Discoverer Winter zeigt noch “ordentliches Bremsen und Traktion auf Schnee”, schwächelt aber sehr auf Nässe durch Übersteuerung und wegen “zu langer Bremswege”. Auch Contis Zweitmarke Uniroyal mit dem Winter Expert überzeugt die Tester nicht wegen der mangelnden Nässequalitäten. Schlusslicht Falken Eurowinter HS01 zeigt zwar bessere Eigenschaften bei Nässe, um so mehr hapert es aber bei den Schneeleistungen. Alle drei mit “ausreichend” bewerteten Reifen erhalten nach Ansicht der Tester keine Empfehlung für die obere Mittelklasse: “Mit Einschränkung mögen diese Reifen auf weniger anspruchsvollen Autos funktionieren”. Aber das reiche eben nicht für Audi A6/A7 und Co. Da “sollten es zumindest welche von den ‘Guten’ sein.”
auto motor und sport Winterreifen-Test in 245/45 R19 V/W
Testfahrzeuge: Audi A6/A7 Quattro
Platz | Modell | Schnee | Nässe | Trocken | Umwelt | Gesamt |
---|---|---|---|---|---|---|
1. | MICHELIN PILOT ALPIN 5 Zum Angebot >> |
10,0 | 7,0 | 9,1 | 8,3 | 8,5 / TESTSIEGER |
2. | CONTINENTAL WINTER CONTACT TS 870P Zum Angebot >> |
8,3 | 7,5 | 9,4 | 9,4 |
8,5 / sehr gut |
3. | VREDESTEIN WINTRAC PRO Zum Angebot >> |
8,0 | 9,3 | 7,0 | 8,3 | 8,1 / sehr gut |
4. | BRIDGESTONE BLIZZAK LM-005 Zum Angebot >> |
8,2 | 8,4 | 7,6 | 7,7 | 8,0 / sehr gut |
5. | FIRESTONE WINTERHAWK 4 Zum Angebot >> |
8,9 | 6,4 | 6,7 | 8,0 | 7,3 / gut |
6. | COOPER DISCOVERER WINTER Zum Angebot >> |
6,4 | 6,3 | 7,2 | 7,2 |
5,7 / ausreichend |
7. | UNIROYAL WINTEREXPERT Zum Angebot >> |
7,1 | 5,7 | 6,9 | 8,0 |
5,7 / ausreichend |
8. | FALKEN EUROWINTER HS01 Zum Angebot >> |
4,3 | 8,3 | 8,2 | 4,6 |
5,7 / ausreichend |
Winterreifen in Reifengröße 245/45 R19 V/W; erschienen in auto motor und Sport September 2022; Gesamtwertung: Schnee 20%, nass 35%, trocken 30%, Umwelt 15%.
Fazit
Damit wird deutlich, warum sich die Tester bei der Auswahl das untere Preissegment eingespart haben - weil für sie hier wohl keine ihrem Anspruch entsprechende Leistung zu erwarten war. Dennoch hätte man Topmarken wie Hankook, Goodyear, Pirelli oder auch Kumho mal auf den Zahn fühlen können. Auch das veränderte Testkonzept scheint nicht ganz schlüssig. Wenn die Winter durch den Klimawandel wärmer und nicht mehr so schneereich werden, reichen dann nicht auch Ganzjahresreifen aus? Und wenn wir die kommenden Winter nach wie vor ernst nehmen, weil es dennoch schneit und glatt wird. Können wir dann die Wintereigenschaften in ihrer Bedeutung zurückfahren? Ein Test löst nicht alle Fragen, sondern wirft auch neue auf. Das Ergebnis bleibt ohne Überraschung. Mit Michelin und Continental siegen die üblichen Verdächtigen.