Die “auto motor und sport”, das Flaggschiff-Magazin aus dem Motor Presse Verlag in Stuttgart geht der Frage nach: Wie sehr können rollwiderstandsoptimierte Reifen die Reichweite etwa bei E-Autos verlängern? Und welche Kompromisse in Sachen Fahrsicherheit müssen speziell bei Nässe dafür in Kauf genommen werden? Zudem: Was E-Autos die Reichweite verlängert, könnte ja auch Verbrennern helfen, Benzin zu sparen. So kommen nicht einfach nur 10 verschiedene Profile in der SUV-Dimension 255/45 R20 auf das Pirelli-Testgelände bei Vizzola, sondern drei speziell für Elektroautos optimierte Modelle, eine Erstausrüstungsspezifikation und sechs sportliche Standardreifen, die sich auf einem SUV von KIA, dem elektrischen EV6 und dem dieselgetriebenen Sorento, bewähren müssen. Das Ende ist erstaunlich positiv: Sieben glorreiche Probanden erhalten die Note “sehr gut”. Keiner fällt so richtig schlecht durch, nur einer bleibt “ausreichend”. Also, wenn das nichts ist.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Kia
Reifenauswahl und Testkriterien für den Reifentest
Rollwiderstand ist schon seit längerem ein Thema im Reifenbereich, getrieben unter anderem auch durch die gestiegenen Benzinpreise. Viele Hersteller haben sich in den vergangenen Jahren dieser Anforderung gestellt. Auch das Reifenlabel gibt ein Zeugnis davon, sichtbar an der Kategorie Energieeffizienz. Ganz ausgereizt ist das Potenzial aber noch nicht, denn in jüngster Zeit kommen besonders rollwiderstandsarme Reifen speziell für Elektroautos in den Markt. Davon hat ams drei Kandidaten ausgewählt: den Falken e.Ziex, der mit einem Rollwiderstandsbeiwert 5,7 (je niedriger, desto besser) in den Vergleich rollt den Michelin e.Primacy mit 5,9 und der Pirelli Scorpion Elect (6,4). Mit von der Testpartie ist auch der ContiPremiumContact 6 (7,4), der schon ab Werk als Reifen der Erstausrüstung (OE) verbaut ist. Diese vier werden ergänzt durch den Bridgestone Potenza Sport (9,1), den Michelin Pilot Sport 4 SUV Acoustic (8,0), den taiwanischen Maxxis Victra Sport 5 SUV (8,8), den in China produzierten GT Radial SportActive 2 SUV (7,7) sowie den japanischen Falken Azenis (7,6). Die Zehnerrunde komplettiert der neue Continental SportContact 7 (7,2). Diese Reifen stellen sich den üblichen Fahrsicherheitstests wie Bremsen und Handling auf nassem und trockenem Asphalt, Aquaplaning längs und quer. Die Rollwiderstandsmessung per Prüftrommel darf nicht fehlen, ebenso wenig wie der Energieverbrauch in kWh/100 km beim Elektro-KIA. Am Ende kommt es noch zusätzlich zu einer mehr auf Reichweite fokussierten Elektrowertung, bei der insbesondere Rollwiderstand und Geräusch stärker (30 Prozent) ins Gewicht fallen. Aber weil das kein absoluter Maßstab sein soll, erfolgt das Ranking nach dem für ams üblichen Bewertungsschlüssel – zwei Maßstäbe also. Sie machen es also sich und anderen nicht zu leicht.
Doppelsieg für Conti, aber Michelin für Stromer die beste Wahl
Und wieder fahren die üblichen Verdächtigen den Sieg nach Hause, aber doch etwas anders als gedacht. Es ist der neue Continental SportContact 7 und nicht der werkseitig montierte OE-Pneu Continental PremiumContact 6, der als “Bester im Test” gekürt wird. Der neue punktet mit Fahrsicherheit: “Sportlich effizienter Allrounder mit hohen Sicherheitsreserven”, “höchste Aquaplaningsicherheit”, und “sehr kurze Bremswege trocken”. Der PremiumContact 6 folgt dicht dahinter mit ähnlichen Eigenschaften: “Sehr kurze Bremswege trocken. Sicher-breiter Grenzbereich und üppige Reserven auf Nässe und im Trockenen.” Kleine Abstriche ergeben sich im Handling durch “trägeres Anlenkverhalten, ausgeprägtere Untersteuerungsneigung und etwas geringeres Gripniveau” – im Vergleich zum SC 7. Aber im Gesamtvergleich reicht es immer noch zu einem “sehr gut”-Urteil wie das Schwestermodell aus gleichem Hause. Mit diesem Urteil wird in diesem Test auch nicht gespart: Ganze sieben Kandidaten von zehn werden damit ausgezeichnet. Allerdings ist das nur die zweithöchste Note im Bewertungssystem der ams. “Überragend” lautet die höchste Ehre – kommt aber diesmal nicht vor.
Dafür heißt es wieder “sehr gut” für den Michelin e.Primacy, denn er zeigt, dass ein rollwiderstandsoptimierter Reifen kein schlechter Nassbremser sein muss. Dieser klassische Zielkonflikt scheint hier also überwunden. “Beste Verzögerung bei Nässe.” “Leicht beherrschbarer Reifen mit sicherer Untersteuerungsneigung.” Das klingt nicht danach, große Kompromisse machen zu müssen und so wird der Michelin der “E-Auto-Tipp”: “Die beste Wahl für hochwertig-komfortable E-Modelle”. Es gibt nur einen Wermutstropfen: Er ist der teuerste im Feld. Das ist anders beim rollwiderstandsoptimierten Falken e.Ziex. Dieser wartet mit einem “guten Preis-Leistungs-Verhältnis” auf und bremst auf Nässe nicht schlechter: “Sehr kurze Bremswege auf nassem und trockenem Asphalt.” Allerdings wird hier der erste Kompromiss spürbar durch einen etwas geringeren Seitenhalt. Das verhindert nicht die “sehr gut”-Bewertung, ebenso wenig wie beim folgenden Bridgestone Potenza Sport, der sportlichste Reifen im Feld mit den besten fahrdynamischen Eigenschaften: “Überragender Kurvengrip auf nasser und trockener Straße, verbunden mit sehr präzisen Handlingeigenschaften. Sehr sportlicher Reifen” – nur am Rollwiderstand wird nicht gespart, der bleibt hoch und in der Elektrowertung würde der Bridgestone eine ganze Note abrutschen. Dann würde sich aber auch ein Michelin Pilot Sport 4 SUV Acoustic nur so eben noch im Bereich “sehr gut” halten. Auch er rollt mit "etwas" erhöhtem Widerstand auf Nässe: “marginale Dynamikschwächen im Nasshandling.
Als letzter unter die “glorreichen Sieben” hat sich der Falken Azenis FK520 geschoben, als “vergleichsweise günstiger Allrounder mit nur geringen Schwächen”, was immerhin für ein “sehr gut” ausreicht. Mit einem “gut” begnügen muss sich der Maxxis Victra Sport 5 SUV. Er bietet ein “etwas reduziertes Leistungsniveau zum fairen Preis”. Einerseits “fahraktives Handling auf Nässe”, aber doch “längere Bremswege”. Viele Kompromisse fordert auch der rollwiderstandsoptimierte Pirelli Scorpion Elect für seine reichweitenverlängernde Energieeffizienz: “Lange Bremswege”, “träges Einlenken”, “eingeschränktes Haftungsangebot und geringe Lenkpräzision bei Nässe”, stehen im Testprotokoll. Seine Platzierung wäre auch in der Elektrowertung nicht besser. Schlusslicht im Test wird der GT Radial SportActive 2 SUV, der mit zu langen Bremswegen auf Nässe patzt und deshalb abgewertet wird: “ausreichend” heißt das im Test.
Auto Motor und Sport testet Sommerreifen in der SUV-Dimension 255/45 R20
Platz | Modell | Punkte* | Elektrowertung** | Testurteil |
---|---|---|---|---|
1 | CONTINENTAL SportContact 7 | 8,5 | 8,2 | sehr gut |
2 | CONTINENTAL PremiumContact 6 Zum Angebot >> |
8,3 | 8,2 | sehr gut |
3 | MICHELIN E.Primacy Zum Angebot >> |
8,2 | 8,7 | sehr gut |
4 | FALKEN e.Ziex | 8,2 | 8,6 | sehr gut |
5 | BRIDGESTONE Potenza Sport Zum Angebot >> |
8,1 | 7,7 | sehr gut |
6 | MICHELIN Pilot Sport 4 SUV Acoustic Zum Angebot >> |
8,0 | 7,8 | sehr gut |
7 | FALKEN Azenzis FK520 Zum Angebot >> |
8,0 | 7,9 | sehr gut |
8 | MAXXIS Victra Sport 5 SUV Zum Angebot >> |
7,5 | 7,4 | gut |
9 | PIRELLI Scorpian Elect Zum Angebot >> |
7,3 | 7,8 | gut |
10 | GT RADIAL SportActive 2 SUV Zum Angebot >> |
5,8 | 5,9 | ausreichend |
*Gewichtung: Nass: 50% | Trocken: 40% | Umwelt: 10%
**Elektrowertung Gewichtung: Nass: 50% | Trocken: 20% | Umwelt: 30%
Maximal je 10 Punkte
Farbe: Punkte liegen über/unter dem Durchschnitt in dieser Disziplin
Fazit: Weniger Kompromisse als gedacht
Die rollwiderstandsoptimierten Reifen verfehlen ihr Ziel nicht. Dies offenbart sich aber weniger auf dem Handlingkurs als in der Tabelle über Rollwiderstand und Verbräuche. Der Unterschied im Rollwiderstandsbeiwert von 5,7 des Falken e.Ziex als Bestem und dem Bridgestone Potenza Sport mit 9,1 sind enorm. Das zeigt sich dann auch im Verbrauch, der elektrisch gerechnet bei 13,2 kWh/100 km beim Falken und 16,1 kWh/100 km beim Bridgestone liegt. Das reine Zahlenverhältnis lässt sich durchaus auf den Benzinverbrauch übertragen. Mit anderen Worten: Reifen können sparen, und zwar spürbar. Bei dem (energie-)verbrauchsbestimmenden Rollwiderstand, übrigens auch beim Geräusch, liegen die E-Gummis, wie man sie nennen könnte, vorn. Überraschend ist, dass sie beim Nassbremsen und damit einem wichtigen Sicherheitskriterium zum Teil ganz vorne mit dabei sind. Diese Schwäche muss also nicht sein bei den herkömmlichen Reifen. Anderes bleibt: Im Handling und beim Aquaplaning rutschen E-Gummis ab auf die untersten Plätze. Da bleibt also noch was zu tun. Die Standardreifen haben allerdings auch ihre Vorteile. Wer sportlich unterwegs sein will, kann zum Bridgestone greifen und erhält eine sehr gute Fahrdynamik. Die war schon immer etwas teurer ...