Der ADAC hat nicht nur etwas zum Testen, sondern auch zum Feiern. Seit 50 Jahren nun rollt der Automobilclub, mittlerweile gemeinsam mit den Schwesterclubs ÖAMTC aus Österreich und dem TCS aus der Schweiz, Reifenmodelle auf den Prüfstand. Dieses Jubiläum soll nun Anlass für etwas Besonderes sein: Fünfzig Reifen will sich der Club aus München, passend zur Jahreszahl des Testjubiläums, diesmal zur Brust nehmen. Fünfzig Reifen der meistverkauften Dimension 205/55 R16 91V. Das ist viel Holz für die Testmannschaft, aber freut sicherlich die Clubmitglieder und Testkonsumenten angesichts eines breiten Überblicks über den Reifenmarkt.
Jubiläumstest mit neuer Methodik
Aufwand haben sie eigentlich noch nie gescheut, die Prüfer des Testkonsortiums ADAC und Co: Beim letzten Sommerreifentest waren es schon insgesamt 34 Reifen, allerdings in 2 verschiedenen Dimensionen. Diesmal sind es noch 16 Profile mehr, die sich die Tester in der meistverkauften Größe zur Brust nehmen. Mit 50 Reifenmodellen durch alle Testdisziplinen – der ADAC gibt Gummi, könnte man da sagen. Und zwar nicht zu knapp: Nach den eigenen Ansprüchen des Clubs benötigen die Tester schon mal grundsätzlich 28 Reifen je Modell, macht nach Adam Riese einen Verschleiß von mindestens 1.400 Reifen für den gesamten Test, die alle verdeckt bei verschiedenen Händlern eingekauft werden. Und nein, die Frage, wie nachhaltig das denn ist, passt jetzt noch nicht so richtig. Mehr dazu gleich. Der Reifenverschleiß bei Tests ist schließlich nicht neu. Aber dennoch ist bei diesem Jubiläumstest einiges deutlich anders. Der Club passt sich nämlich veränderten Anforderungen an und zwar aus folgendem Grund: “Heute muss ein Reifen nicht nur Fahrsicherheit bieten, sondern sollte auch nachhaltig und umweltschonend sein”, lässt der Club wissen. Und weiter: “Ab sofort muss ein Reifen neben den bereits bekannten Kategorien wie Laufleistung, Kraftstoffverbrauch und Geräusch auch in den Kategorien Reifenabrieb, Gewicht und nachhaltige Produktion bestehen. Dazu gehört auch die Bewertung des Lebenszyklus eines Reifens von der Produktion bis zum Recycling.” Klingt gut, klingt nach einer umfassenden Bewertung des Produkts Reifen. Eins ist jedenfalls klar: Es kommen mehr Disziplinen in das Testprogramm als bisher üblich.
Eines ändert sich nicht, die Fahrsicherheit als ein Hauptkriterium steht ganz oben an, geprüft auf trockener und nasser Fahrbahn unter anderem durch Bremsversuche und Handlingfahrten sowie Aquaplaning längs und quer – die üblichen Testdisziplinen also. Mit 70 Prozent Gewichtung bestimmen diese klassischen Kriterien die Endnote eines Reifens. Neu ist allerdings, dass dem Hauptkriterium Fahrsicherheit nun ein weiteres Hauptkriterium Umweltbilanz zur Seite gestellt wird, das bei der Endnote mit 30 Prozent zu Buche schlägt. Dem zugeordnet sind Disziplinen wie Verschleiß, Verbrauch (Effizienz), Geräusch und Nachhaltigkeit.
Nichts geändert hat sich auch bei der Wahl des Prüfgeländes. Da ist der ADAC schon seit vielen Jahren auf dem Contidrom zu Gast sowie bei Bridgestone in Italien südlich von Rom. Die Auswahl der Reifen ist bei 50 Modellen diesmal besonders breit. “Ziel ist es, die gesamte Preisspanne von der Premiummarke bis zum günstigen Preissegment abzubilden”, wie der Club in den online niedergelegten Bewertungskriterien erklärt. Und das gelingt durchaus bei der Vielzahl der Reifen. Die Preise der Probanden reichen von 120 Euro für den Michelin Primacy 4+ aus der Premium-Klasse bis zum Low Budget Reifen Premiorri Solazo für 45 Euro. Und auf diese Gegenüberstellung, “Billigheimer” gegen “Markenprodukt”, kommt es den Testern als Erkenntnisziel auch an. Kann man nicht “gefahrlos viel Geld sparen, wenn man statt dem Premiumprodukt aus Hannover irgendwelche Discount-Schlappen montiert”? So lautet die Fragestellung. Allerdings: Alle vorhandenen Marken, inklusive der Zweit- und Drittmarken der großen Hersteller in einem Test zu vereinen, ist wohl kaum zu leisten.
Ganz oben: Goodyear, Continental, Michelin
Die Neusortierung der Kategorien und Kriterien bringt dennoch keine fundamental neuen Ergebnisse. Wie so häufig versammeln sich die Premiummarken in der obersten Etage. Und auch im Jubiläumstest urteilen die Zensoren des ADAC in gewohnt strenger Manier. Die besten Reifen erhalten ein bescheidenes “gut” als Endnote ins Zeugnis geschrieben. Nur keine Überschwänglichkeiten, die Prüfer bleiben cool. Ein “herausragend” – wie schon in einem anderen Test – oder ähnliche Gefühlsausbrüche kommen hier nicht in die Tüte. So bleibt das Schulnotenspektrum nach wie vor schmal und wenig differenziert von “gut” bis “mangelhaft”. Der Reifen, der den ADAC-Testern ein “sehr gut” abringt, muss also noch erfunden werden.
So ist es also das fast punktgleiche Spitzentrio aus Goodyear EfficientGrip Performance 2, Continental PremiumContact 6 und Michelin Primacy 4+, das in der Spitzengruppe von zehn “gut” bewerteten Probanden die Meriten einheimst. Entscheidend für den Goodyear ist letztlich seine Topnote in der Laufleistung, die die Umweltbilanz verbessert – bei gleichfalls guten Werten in den Fahrsicherheitsdisziplinen. Damit kommt er in der Endnote 2,0 gleichauf mit dem Conti, der vor allem in der Kategorie Fahrsicherheit die Bestnoten einfährt. Seine Spitzenklasse zeigt dieser in der Disziplin Nassbremsen, indem er auf nassem Asphalt aus 80 km/h bereits nach 34 Metern zum Stehen kommt. Da braucht der Goodyear dann doch 3 Meter mehr. Ebenso übrigens wie der Michelin, der in der Kategorie Fahrsicherheit nicht ganz so stark punkten kann, aber einen Spitzenwert in Sachen Laufleistung hinlegt. Er bietet mit 71.500 km die höchste Reichweite und den geringsten Abrieb. Da beides in der Umweltbilanz getrennt bewertet wird, kommt Michelin auf die Endnote 2,1 und den dritten Rang im Test.
Die sieben weiteren Reifen in der Kategorie “gut” folgen mit geringem Abstand. Dabei bilden der Nokian Tyres Wetproof, der japanische Falken Ziex ZE310 Ecorun sowie die koreanischen Marken Kumho Ecsta HS52, Hankook Ventus Prime4 und Nexen N’Fera Primus auf den Plätzen 5, 6, 8, 9 und 10 schon eine preisliche Alternative zu den deutlich teureren Premiummarken. Das gilt weniger für den Bridgestone Turanza T005, dessen Fahrsicherheitswerte besser sind als beim davor positionierten Michelin. Auch die Neuheit Continental UltraContact positioniert sich preislich im Premium-Segment und verdankt den siebten Platz zum großen Teil der mit der Note 1,7 bewerteten Umweltbilanz, während die Fahrsicherheit mit 2,6 bewertet wird, Gesamtnote 2,3. Auffallend dabei: Würde nur die Fahrsicherheit zählen, fiele dieses Produkt in die Kategorie der mit “befriedigend” bewerteten Kandidaten, also eine ganze Stufe tiefer. So hilft die Kategorie Umweltbilanz, Plätze gut zu machen. Wichtiger aber: Schon in der Spitzengruppe zeichnen sich in einem mittleren Preisniveau Alternativen mit guten fahrdynamischen Werten zu den teureren Premiummarken ab.
Preislich günstig: das große Mittelfeld
Ganze 21 Reifenmodelle testet der ADAC mit der Note “befriedigend” und damit findet sich eine große Gruppe preiswerter Reifen mit sehr akzeptablen Werten zusammen, die teilweise lediglich unter kleineren Schwächen, meist auf Nässe, leiden oder deren Umweltbilanz durch höheren Verschleiß getrübt wird. Hier tummeln sich vor allem die Zweitmarken, insgesamt 10, der großen Hersteller. Mit dem Pirelli Cinturato P7 C2 und dem Dunlop Sport BluResponse sind aber Premiummarken darunter, die sich lieber eine Gruppe höher gesehen hätten. So müssen sie sich dem taiwanischen Produkt Kenda Kenetica Pro KR210 geschlagen geben, einem vor allem durch seine Fahrradreifen bekannten Hersteller, der auch noch deutlich günstiger ist. Vor allem die fahrdynamischen Leistung liegen im Bereich “gut”, allerdings hapert es bei der Laufleistung und auch die Nachhaltigkeit – beides Kriterien der Umweltbilanz – drücken die Endnote auf 2,6, also “befriedigend”. Ebenso knapp am “gut” vorbei schrammen der Kleber Dynaxer HP4, der Fulda EcoControl HP2 sowie der Toyo Tires Proxes Comfort, allerdings fehlt es diesen eher an fahrdynamischen Qualitäten.
Im breiten Mittelfeld herrscht eine enorme Leistungsdichte, deshalb sind die Unterschiede in dieser Gruppe minimal beim Debica Presto HP2, den genannten Dunlop und Pirelli, dem Goodyear-Ableger Sava Intensa HP2, dem Conti-Ableger Semperit Speed-Life 3, die alle mit der Note 2,7 aus der Wertung gehen – mit sehr akzeptablen Fahrsicherheitswerten und oft noch günstiger Umweltbilanz durch Laufleistung und Spritverbrauch. Hier schließt sich auch der mit 2,8 bewertete Bridgestone-Ableger Firestone Roadhawk an, der seine Stärken aber auf trockener Piste zeigt, wie auch der folgende Michelin-Ableger BF Goodrich Advantage und der indonesische GT Radial FE2. Die Handelsmarken ESA+TECAR Spirit Pro sowie Norauto Prevensys 4 bewähren sich auch auf nasser Fahrbahn, müssen sich aber mit einer 3,1 abfinden, ebenso wie Conti-Ableger Barum Bravuris 5HM und Viking Protech Newgen. Nur eine Zehntelnote (Note 3,2) dahinter rangieren die indische Marke Apollo Alnac 4G und noch ein Continental-Ableger namens General Tire Altimax One S, die mit immerhin durchschnittlichen Leistungen aufwarten. Der Giti Gitisynergy H2 bewährt sich auf trockener Fahrbahn, anders als der Conti-Ableger Uniroyal RainSport 5, der in dieser Gruppe den Bestwert im Nassen bringt. Der türkische Petlas Imperium PT515 fällt vor allem mit einer guten Laufleistung auf.
Jetzt wird’s kritisch: 11x “ausreichend”
In dieser Gruppe überwiegen zumeist die Defizite im Kapitel Fahrsicherheit gegenüber der Umweltbilanz. Ausnahmen bilden hier die Profile Westlake Z-107, dessen fahrdynamische Eigenschaften mit 2,7 bewertet werden und auch die Hankook Zweitmarke Laufenn S Fit EQ+ kann sich fahrdynamisch noch sehen lassen. Die Umweltbilanz dagegen zieht das Ergebnis in beiden Fällen nach unten. Sonderfälle in dieser Gruppe sind einmal der runderneuerte King Meiler Sport1, hergestellt in Dissen unweit von Bielefeld und der Michelin e.Primacy. Letzterer ist vom Hersteller auf eine gute Umweltbilanz hin entwickelt und bringt in dieser Kategorie Spitzenwerte auf die Straße: etwa die sensationelle Laufleistung von prognostizierten 71.500 Kilometern. Dagegen kann der “Premium-teure” Pneu aber besonders auf nasser Fahrbahn überhaupt nicht überzeugen (Note 3,9). Dieser Mangel zieht die erstklassige Umweltbilanz von 1,3 auf bescheidene 3,9 in der Endnote herunter. Der ADAC bemerkt, “dass die klassischen Zielkonflikte im Reifenbau auch aktuell nicht immer zu lösen sind”. Auch der Nassbremsweg ist beim e.Primacy um mehr als 10 Meter länger als beim Spitzenreiter von Conti. Warum der runderneuerte King Meiler in Sachen Nachhaltigkeit nur die Note 3,0 bekommt, lässt der ADAC völlig im Unklaren. Die größten Defizite liegen aber im Bereich der Fahrsicherheit, trocken sogar mehr als nass. Vor allem beim Handling macht der Reifen keine gute Figur, wie der Einzelbeschreibung zu entnehmen ist. Die schwache Trockenperformance durch unpräzises Fahrverhalten drückt die Note bei mehreren Reifen in dieser Gruppe, unter anderem beim Delinte DH 2 oder beim Radar RPX 800. Auch die Nassbremswege werden unerträglich lang.
Die gefährlichen 7 – der Unterschied
Das Ergebnis ist weder neu noch überraschend. Es ist insbesondere ein Punkt, der viele Reifen ostasiatischer Herkunft scheitern lässt: die Nasshaftung. An diesem Defizit leidet die Gruppe der “mangelhaft” bewerteten Reifen durchgehend. Glücklicherweise sind es nur sieben. Wie desaströs deren Leistungen aber sein können, zeigt das Beispiel Double Coin DC99 in der Disziplin Nassbremsen aus 80 km/h. Der chinesische Pneu steht nach 59,3 Metern. Der Continental PremiumContact 6 als bester im Test hingegen steht bereits bei 34 Metern. Desaströs ist, dass an der Stelle, an der der Conti bereits steht, der DoubleCoin noch mit 52 km/h unterwegs ist und erst 25 Meter später steht. Das ist in der Tat brandgefährlich bei einer Gefahrenbremsung und der ADAC rät zu Recht: “Finger weg von diesen Reifen!” Auch die anderen Reifen aus dieser Gruppe, der Premiorri Solazo aus der Ukraine, der Berlin Tires Summer oder auch der Evergreen EH 226 geben hier kein besseres Bild ab. Es sind also massive Unterschiede in wichtigen Disziplinen vorhanden, die derlei Reifen disqualifizieren, auch wenn ein Double Coin eine Laufleistung von fast 65.000 km auf die Straße bringt.
ADAC Sommerreifentest in der Dimension 205/55 R16 91 V
Gewichtung der ADAC-Kategorien: Umweltbilanz 30%; Fahrsicherheit 70%
Noten: 0,6-1,5 sehr gut | 1,6-2,5 gut | 2,6-3,5 befriedigend | 3,6–4,5 ausreichend | 4,6–5,5 mangelhaft
Fazit: Es muss nicht unbedingt Premium sein
Zurück zur Ausgangsfrage: Taugt der Billigreifen aus Fernost so viel wie das teure Markenprodukt? Klare Antwort: Nein, überhaupt nicht. Das hat nun der Test gezeigt, die Unterschiede vom Markenprodukt zum Billigreifen sind gravierend. Es gibt aber eine breite Front preisgünstiger Alternativen, die im Test mit "befriedigend” bewertet wurden. Dabei ist es aber ratsam, sich den Test genau anzusehen, welche Eigenschaften für den Kauf wirklich wichtig sind. Der ADAC rät hier: “Die Reifenwahl sollte nicht vom Preis abhängen.” Na klar, wer nicht sparen muss, der kauft sich halt den Testsieger. Aber wenn es auch eine Zweitmarke sein kann, dann lässt sich sicher Geld sparen. Und bei der Auswahl hilft der Test sehr gut. Zum Test: Die Disziplinen zur Umweltbilanz sind sicher hilfreich – solange sie nachvollziehbar sind. Das trifft für die Kategorie “Nachhaltigkeit” leider nicht zu. Nachhaltigkeit umfasst eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Disziplinen und Überlegungen, von der Länge der Lieferwege bis zu verschiedenen Zertifizierungen oder zur “Beteiligung am UN Global Compact”, was ja eher als moralische Kategorie zählt. Nur ist nirgendwo nachvollziehbar dokumentiert, welchen genauen Einfluss das auf die Note hat. So stehen die Noten im Fach “Nachhaltigkeit” ziemlich willkürlich da, wie der Tribut an einen Begriff, der gerade in Mode ist. Klingt dann nach “Greenwashing”. Man sollte also einen Test nicht allzu kompliziert machen. Das ist dem ADAC mit diesem Mammut-Test allerdings auch gelungen.