Zum Saisonstart: Motorrad-Sportreifen im PS-Test
Kaum ist das Eis geschmolzen und die ersten warmen Sonnenstrahlen brechen durch die Wolkendecke, geht es für meisten auf die Bahn. Das ist die Zeit für Biker, die Maschinen zu starten und in die neue Motorradsaison zu rollen. Und pünktlich zum Saisonbeginn hilft die PS – die Bibel für den sportlichen Motorradfahrer – in ihrer aktuellen Ausgabe 3/2021 mit einem Sportreifen-Test bei der richtigen Auswahl der geeigneten Sportpellen. Nicht weniger als acht Seiten widmet die Redaktion dem ausführlichen Vergleich von sechs Sport-Pneus mit Straßenzulassung in der Dimension 120/70 ZR17 vorn und 200/55 ZR17 hinten.
Anspruchsvoller Markt
Während es bei Autos eine nahezu unübersehbare Auswahl an Markennamen gibt und jedes Jahr neue hinzukommen sowie einige wegfallen, ist das Markenangebot bei Motorradreifen zumal für diese Leistungsklasse erstaunlich übersichtlich. Gerade bei Sportreifen für die Biker der “Knieschleiferfraktion” sind die Ansprüche derart hoch, dass hier nur wenige Reifenhersteller auf Dauer mithalten können – zumal auch das Publikum außerordentlich kritisch ist. Dabei hat es in den vergangenen Jahren mancher Hersteller versucht, in das Sportreifensegment einzusteigen. Einzig Continental ist das seit den 90er Jahren nachhaltig gelungen. Allerdings: Seit letztem Jahr neu im Motorradreifenmarkt vertreten ist der zum indischen Apollo-Tyres-Konzern gehörende Hersteller Vredestein, allerdings mangelt es noch an der Sortimentsbreite, um für diesen Test infrage zu kommen. So müssen wir einzig den Klassiker Avon vermissen, der sowohl Dimension und Ausführung auf der Palette hat.
Die Auswahl: Bridgestone, Metzeler, Michelin und Co
Es bleibt also bei den üblichen Verdächtigen und das sind gerade mal sechs Marken und fünf Hersteller. Bei der engeren Auswahl der Profile sind die Tester doch einen ungewöhnlichen Weg gegangen: “Wegen der zunehmenden Vielfalt speziell in dieser Gattung lassen wir vielmehr den Herstellern die Wahl, welchen Gummi sie ins Rennen schicken möchten.” Diese Idee ist gar nicht schlecht. Denn mittlerweile differenziert sich der Markt für Sportreifen in eher moderate, straßenorientierte Pneus und solche, die den Hang zur Rennstrecke haben. So schickt denn Bridgestone den Battlax S22 ins Rennen, den Testsieger von 2019 und nicht den pistenorientierten, aber dennoch straßenzugelassenen Battlax RS11 Sport. Dunlop baut auf den bekannten Sportsmart TT und Pirelli schickt den Diablo Rossa Corsa II ins Feld. Diese drei bewährten Pellen treten nun gegen drei Neuheiten an, die gerade eben so richtig in den Markt rollen: Pirellis Schwestermarke Metzeler mit dem Sportec M9RR, der Michelin Power 5 und der ContiSportAttack 4. Somit tritt Dunlop mit dem heißesten Pistenfeger an, der, so die Werbung, “ultimative Performance für die Haus- und Rennstrecke” bietet.
PS Motorradreifentest 120/70 ZR17 (vorn), 200/55 ZR17 (hinten)Testfahrzeug Yamaha R1 |
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Platzierung | Profil | Nass | Trocken | Urteil und Angebote |
87 | 181 |
268 von 300 |
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2. Platz | 91 | 173 |
264 von 300 |
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3. Platz | 91 | 171 |
262 von 300 |
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4. Platz | 84 | 175 |
259 von 300 |
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5. Platz | 60 | 174 |
234 von 300 |
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6.Platz | 75 | 156 |
231 von 300
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Was zu prüfen war – die Testkriterien
Was den Testbericht über die Ergebnisse hinaus interessant macht, ist die Klarheit und Transparenz, wie die Reifenprüfung protokolliert wird. Als Testfahrzeug diente eine aktuelle Yamaha R1, ein Pistenkracher mit 200 PS, bewegt auf dem Testgelände von Dunlop nahe der Stadt Mireval in Südfrankreich, “wohin uns der Hersteller eingeladen hat” und wofür sich die Redaktion artig bedankt. Das ist natürlich nett von dem zum Goodyear-Konzern gehörenden Hersteller, allerdings so ganz uneigennützig nicht. Denn unter anderem auf diesem Terrain wurde der Sportsmart TT natürlich auch entwickelt, hier liegt der Maßstab und die Verantwortlichen wussten genau, was der Reifen hier leistet – ein kleiner Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Doch sei es drum, hier erschließen sich den Testern alle Möglichkeiten der Trocken- und Nässeprüfungen: Handling, Grip, Stabilität, Verhalten im Grenzbereich, Aufstellmoment, Feedback und Bremsverzögerung sowie Kaltlaufverhalten sind die Kriterien, mit denen die Tester den Kandidaten auf den Zahn bzw. auf das Profil fühlen. Gut im Testbericht: In einer Art Glossar erklären die Tester, worauf es ihnen dabei ankommt. So etwa, dass Handling mit der Lenkkraft zu tun hat, um das Bike in Schräglage zu bringen oder das Verhalten im Grenzbereich mit der Kontrollierbarkeit der Haftung.
Die Ergebnisse: Bridgestone siegt im dichten Verfolgerfeld
Wann ist der Reifen belastbar? Wenn er auf Betriebstemperatur ist, das ist wichtig bei Motorradreifen und naturgemäß die erste Prüfung, die der Testkandidat zu bestehen hat. Das geht beim ContiSportAttack am schnellsten, aber hier liegen alle Kandidaten so ziemlich gleichauf – bis auf den Dunlop eben, der sich mit Aufwärmen am meisten Zeit lässt. Handling – da sind die Tester geradezu begeistert vom Bridgestone Battlax S22: “Besondere Laune bereitet das gierige Einlenkverhalten im Verbund mit der hohen Zielgenauigkeit”, schwärmt der Testbericht, und zwar im Trocken- wie im Nasstest. Der Reifen glänzt auf ganzer Linie, Grip, Kontrollierbarkeit, Feedback – alles prima: “Schwächen kennt der S22 keine – wir gratulieren!” Na, das ist doch mal ein Ergebnis und ein weiterer Testsieg für den S22. Aber die anderen, vor allem die Neuheiten, sind dem Primus dicht auf den Fersen. So heimst der Metzeler Sportec M9 RR Lob ein als “hervorragend ausgewogener Alleskönner ... seine sportliche Seite zeigt er auf der Rennstrecke” und ist der Schnellste auf dem Nasshandlingkurs. Allerdings nicht allein, sondern gleich schnell wie der zweite Neuling, der Michelin Power 5, der “beim Nasstest eine klasse Vorstellung” abliefert und im Trockenen mit “sagenhaft leichtfüßigem Handling und höchster Präzision” glänzt. Doch nicht genug des Guten. Auch der Pirelli Diablo Rosso Corsa II glänzt noch auf Platz 4: “Seine größten Stärken: Mega-Grip, hohe Präzision, hervorragende Stabilität, transparentes Feedback … eine top Sportpelle ohne echte Schwächen.”
Gibt es wirklich nur Gutes? Nicht ganz, aber das Niveau bleibt hoch. Ausgerechnet der Platzhirsch Dunlop Sportsmart TT muß sich Kritik gefallen lassen bei Kälte und Nässe. Das Aufwärmen dauert zu lange und er zeige “eine gewisse Wasserscheue”. Doch immerhin klappt das Trockenhandling: “Seine Sahneseite ist klar das leichtfüßige und zielgenaue Abwinkeln in die Ecken.” Der neue SportAttack 4 von Conti muss sich mit dem letzten Platz zufriedengeben. Kein gutes Handling, keine Kurvengier, es reicht nicht ganz – so viel Biederkeit nagt an den sportlichen Eigenschaften.
Fazit: Die Messlatte liegt hoch
Schlechte Reifen gibt es unter den sechs Konkurrenten nicht. Der Testsieger Bridgestone S22 ist ein guter Wurf, ein Sportreifen, der auch Nässe abkann. Wie dicht aber die Verfolger dem Champion auf den Fersen sind, zeigen die Punktestände. Während der S22 mit 268 Punkten siegt, folgt der Neuling Metzeler M9RR als Zweiter mit 264 Punkten, dicht gefolgt vom Neuling Michelin Power 5 mit 262 Punkten als Dritter und Vierter wird der Pirelli Diablo Corsa II mit 259 Punkten. Das sind nur hauchdünne Unterschiede. Aber auch die beiden letzten sind mit 234 Punkten (Dunlop) und 231 Punkten (Conti) zwar etwas abgeschlagen, aber keine schlechten Reifen. Doch das Bessere ist des Guten Feind.