Reifentests werden beim ADAC seit über 50 Jahren durchgeführt, um Autofahrern verlässliche Informationen über die Leistung von Sommerreifen, Winterreifen und Ganzjahresreifen zu liefern. Doch wie verändern sich die Eigenschaften abgefahrener Reifen im Vergleich zu neuen Reifen? Dieser Frage ist der ADAC in einem neuen Reifentest nachgegangen und hat dabei teils erschreckende Ergebnisse erzielt.
In diesem Blogartikel werden die Ergebnisse des Reifentests präsentiert und die Auswirkungen abgefahrener Reifen auf die Fahrsicherheit und die Unfallgefahr beleuchtet.
Die Testergebnisse im Überblick
Die Testergebnisse zeigen, dass die Leistungsfähigkeit abgefahrener Reifen in Längsrichtung (Fahrtrichtung) in Bezug auf Traktion und Bremsen auf Schnee und Nässe, nicht drastisch abnimmt. Hier bleibt eine gewisse Restsicherheit erhalten. Jedoch nimmt die Performance der abgefahrenen Reifen beim Übertragen von Querkräften, wie beispielsweise beim Aquaplaning in Kurven oder im Nasshandling, deutlich ab. In solchen Situationen verlieren die alten Reifen gegenüber neuen Reifen einen Großteil ihrer ursprünglichen Leistungsfähigkeit.
Problematisch wird es, wenn die abgefahrenen Reifen im Alltag immer noch ein scheinbar sicheres Fahrgefühl vermitteln und die Bremswege weiterhin kurz sind. Dies erweist sich jedoch als irreführend, da die Reifen mit geringer Profiltiefe kaum noch in der Lage sind, Querkräfte aufzubauen. Das Fahrzeug verliert daher in Kurven viel schneller die Kontrolle, insbesondere bei plötzlichem Aquaplaning in der Kurve. Einen positiven Aspekt konnten die abgefahrenen Reifen jedoch aufweisen, den geringeren Kraftstoffverbrauch aufgrund der reduzierten Walkarbeit.
Der Reifentest erfolgte in den Kategorien: Traktion auf Schnee, Bremsen auf Schnee, Bremsen auf Nässe, Aquaplaning längs (Gerade), Aquaplaning quer (Kurve), Handling auf Nässe und Kraftstoffverbrauch. Um auch die Performance der Reifen auf Schnee testen zu können, wurden die Tests auf Winterreifen durchgeführt. Die allgemeinen Empfehlungen, vor allem für nasse Straßen, gelten jedoch auch für Sommerreifen.
Profiltiefe und Verschleißbild beeinflussen die Fahrsicherheit
Die Profiltiefe und das Verschleißbild eines Reifens spielen eine entscheidende Rolle für die Fahrsicherheit. Ein hoher Verschleiß und eine geringe Profiltiefe können das Unfallrisiko, speziell in Kurven auf nasser oder verschneiter Fahrbahn, erhöhen. Der ADAC empfiehlt daher den Austausch von Reifen bereits vor Erreichen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestprofiltiefe für PKW-Reifen und Motorradreifen von mindestens 1,6 Millimetern. Unterschreitet man die gesetzlichen Vorgaben, drohen mindestens 60 Euro Bußgeld und ein Punkt in Flensburg. Die unter anderem auch vom ADAC empfohlene Mindestprofiltiefe für Sommerreifen liegt bei bereits drei Millimeter und für Winterreifen bei mindestens vier Millimetern. Unterschreitet man diese Werte, sollten zeitnah die Reifen gewechselt werden, für ein sicheres Fahren im Straßenverkehr.
Tipp zur Messung der Profiltiefe
Ist gerade kein Reifenprofil-Messer vorhanden, gibt es eine weitere simple Methode, um abgefahrene Reifen zu erkennen, nämlich mit einer 1-Euro-Münze. Der goldene Rand der Münze hat eine Breite von drei Millimetern. Du kannst die Münze in die großen Profilrillen in der Mitte des Reifenprofils an verschiedenen Stellen schieben. Wenn der goldene Rand der Münze zwischen den Rillen sichtbar wird, ist die empfohlene Reifenprofiltiefe von drei Millimetern für Sommerreifen unterschritten. Weitere Tipps zur Messung der Profiltiefe gibt es hier.
Abgefahrene Reifen im Nässetest
Besonders auf nasser Fahrbahn kommt es auf den Grip und die Druckverteilung der Reifen an. Das Verschleißbild der Reifen spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Reifen mit real gefahrenen Innenschulterabrieb schneiden sowohl beim Bremsen als auch im Aquaplaning schlechter ab als gleichmäßig abgeschliffene Reifen. Hingegen schneiden Reifen mit Mittenabrieb und höherer Profiltiefe besser ab. Beim Nassbremsen zeigt sich ein Performanceverlust von bis zu 23 Prozent bei Reifen mit real abgefahrenen Innenschulterabrieb im Vergleich zu neuen Reifen mit voller Profiltiefe. Die Performance beim Nassbremsen fällt rund 0,75 bis 3 Noten schlechter aus. Ähnlich verhält es sich beim Aquaplaning quer, bei dem die Leistung der abgefahrenen Reifen unter den Sicherheitsaspekten um sogar 50 bis 78 Prozent abfällt. Die abgefahrenen Reifen werden daher als "ausreichend" bis "mangelhaft" eingestuft.
Abgefahrene Reifen im Schnee: Weniger Traktion und schlechtere Bremsleistung
Auch auf Schnee zeigt sich, dass abgefahrene Reifen erhebliche Einbußen in der Leistungsfähigkeit aufweisen. Die Traktion auf Schnee verringert sich im Schnitt um 15 bis 35 Prozent im Vergleich zu neuen Reifen mit voller Profiltiefe. Die abgefahrenen Reifen würden entsprechend 1,5 bis 2,5 Noten schlechter abschneiden, was in Schulnoten “befriedigend" bis hin zu "mangelhaft" bedeuten würde.
Beim Schneebremsen zeigen die alten Reifen ebenfalls einen Leistungsverlust von 14 bis 32 Prozent. Insgesamt würden sie rund 2,5 bis 3 Noten schlechter bewertet werden als beim Test mit neuen Reifen. So verlängert sich der Bremsweg für eine Notbremsung aus 30 km/h mit abgefahrenen Reifen um bis zu 3,5 Meter im Vergleich zu neuen Reifen. Die Leistung der alten Reifen könnte daher noch als "ausreichend" bis hin zu "mangelhaft” bewertet werden.
Lamellen und Verschleiß beeinflussen die Bremsleistung
Besonders interessant ist, dass PKW Reifen, deren Lamellen bereits verschlissen sind, auch mit gleicher oder höherer Profiltiefe schlechter bremsen als Reifen mit effektiven Lamellen. Der Vergleich zwischen einem Michelin und einem Yokohama zeigt deutliche Unterschiede in der Performance, obwohl beide eine vergleichbare Profiltiefe aufweisen.
Durchschnittliche Leistungsabnahme bei abgenutztem Profil im Vergleich zur vollen Profiltiefe bei neuen Reifen
Modell | Nass- bremsen |
Nass- handling |
Aquaplaning quer |
Schnee- traktion |
Schnee- bremsen |
---|---|---|---|---|---|
MICHELIN Alpin | -18,2 % | -12,2 % | -78,4 % | -14,7 % | -14,1 % |
CONTINENTAL WinterContact TS860 | -12,4 % | -10,8 % | -77,8 % | -35,3 % | -31,7 % |
DUNLOP Winter Sport 5
|
-16,3 % | -8,3 % | -70,6 % | -26,8 % | -23,1 % |
GOODYEAR Ultragrip 9 | -7 % | -5,8 % | -49,4 % | -17,8 % | -20,4 % |
YOKOHAMA BluEarth
|
-19,8 % | -12,3 % | -77,8 % | -27,3 % | -30,5 % |
NOKIAN WR D4
|
-19,8 % | -11 % | -70,6 % | -22,4 % | -28,6 % |
Der Reifentest erfolgte in der Dimension 205/55 R16 H
Fazit: Abgefahrene Reifen bergen Risiken
Die Ergebnisse des Tests zeigen deutlich, dass abgefahrene Reifen im Vergleich zu neuen Reifen erhebliche Risiken für die Fahrsicherheit darstellen. Vergleicht man die abgefahrenen Reifen mit den Neureifen, fallen alle rund 2 bis 3 Noten schlechter aus, in Schulnoten würden sie im ADAC Reifentest mit “ausreichend" bis "mangelhaft" benotet werden.
Besonders auf nasser Fahrbahn ist der Unterschied in der Leistungsfähigkeit spürbar. Der Bremsweg verlängert sich deutlich, und die Gefahr von Aquaplaning steigt signifikant an. Auch auf schneebedeckten Straßen zeigen abgefahrene Reifen eine deutlich geringere Traktion und eine schlechtere Bremsleistung. Notbremsungen können zu längeren Bremswegen führen, was in kritischen Situationen verheerende Folgen haben kann.
Wichtig ist daher, die Reifen regelmäßig auf ihren Zustand sowie den Reifendruck zu überprüfen und abgefahrene Reifen rechtzeitig auszutauschen. Eine ausreichende Profiltiefe und intakte Lamellen sind essenziell, um eine optimale Haftung und Sicherheit auf der Straße zu gewährleisten. Zudem sollte das Fahrverhalten den Witterungsbedingungen angepasst werden, um das Risiko von Unfällen zu minimieren. Denn letztendlich sind es die Reifen, die den entscheidenden Kontakt zur Fahrbahn herstellen und maßgeblich zur Stabilität und Kontrolle des Fahrzeugs beitragen.