Wer einen Oldtimer besitzt, kann sich glücklich schätzen. Denn was früher schlicht ein altes Auto war und möglicherweise zu Verschrottung anstand, gelangt heute in den Status einer Wertanlage und wird zum “Classic Car” aufgewertet. Schon nach 20 Jahren reift das Fahrzeug zum “Youngtimer” und wird nach 30 Jahren zum “Oldtimer” geadelt. Das technische OK ist Voraussetzung. Da haben viele Besitzer von Oldtimern allerdings ein Problem: Neue Reifen sind nicht immer einfach zu erhalten.
Beliebter Oldtimer auf einer Ausfahrt: Der Opel GT kam ab 1968 in Varianten mit 60 und 90 PS auf den Markt. Serienmäßig bereift mit 195/70R13 - eine schwer zu erhaltende Reifengröße heutzutage.
Klassikreifen von Vredestein, Michelin Cooper und co
Klassische Fahrzeuge erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Es gibt zahlreiche Clubs der unterschiedlichen Marken und Fahrzeugtypen, viele Treffen und auf Auktionen erzielen Klassiker nach wie vor noch Spitzenpreise. Eine aktuelle Studie, die der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) und der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) sowie weitere Partner in Auftrag gegeben hat, zählt rund 2,2 Millionen “echte Classic Cars” in Deutschland. Diese Oldtimer ab 30 Jahren und die Youngtimer ab 20 Jahren stehen für ein Marktvolumen von etwa 10 Milliarden Euro. Vielleicht gerade, weil sich die teilweise hohen Preise für Oldtimer derzeit eher abkühlen bleibt das Thema für viele Menschen aktuell: Eine Studie des Marktforschungsinstituts IfD Allensbach spricht von 15 Millionen Menschen in Deutschland, die sich für Oldtimer interessieren. Und da die Zahl der Classic Cars naturgemäß noch wachsen wird, nämlich schätzungsweise um 70.000 Stück pro Jahr bei den Oldtimern, macht das den Markt auch für die Hersteller von Autoteilen und insbesondere für Reifen sehr interessant. Kein Wunder also, das viele Reifenhersteller sich auf diese Nische stürzen. Genannt seien Hersteller wie Vredestein, der schon lange in diesem Markt aktiv ist oder Michelin, die eine sehr breite Palette bieten. Cooper ist schon lange für US-Fahrzeuge eine erste Adresse. Aber es kommen auch neue Produktlinien beispielsweise von Dunlop in den Markt, die den Bedarf decken - zur Freude der Oldtimer-Liebhaber. Wir wollen die jüngsten und wichtigsten Neuheiten vorstellen.
Die Corvette C1 aus den fünfziger Jahren gehört zu den beliebtesten Oldtimern aus USA - gerne bereift mit Cooper Cobra GT. Die Dimension dieser C1 mit P205/75R15 zählt heute eher zu Offroad-Größen. Für diesen 225 PS starken V8-Flitzer ist mindestens ein Speedindex V nötig. Das hat kaum ein Hersteller mehr in seinem Standard-Programm. Die hier verwendeten Reifen: Coker Classic.
Die Sport Classic-Serie von Dunlop
So widmete sich angesichts des wachsenden Marktvolumens für Classic-Modelle die Marke Dunlop aus dem Goodyear Konzern diesem Thema und entwickelte die Sport Classic Serie für die Old- und Youngtimerfans. Diese Serie startete mit den zehn gängigsten Dimensionen für klassische Fahrzeuge. Zielguppe sind die Besitzer von klassischen Sportwagen und sportlichen Fahrzeugen der 60er und 70er Jahre. Immerhin kann die Marke bereits mit den vorhanden gängigsten Größen eine Anzahl an faszinierenden Automobilen der Baujahre 1960 bis 1990 mit Reifen versorgen. Dazu gehören der legendäre Porsche 356, der Ferrari Dino oder der Aston Martin DB5 (das wohl bekannteste Auto, mit dem Topagent James Bond über die Leinwand flimmerte) bis hin zu Mercedes SL, Typ 107 oder dem VW Karmann Ghia.
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Moderne Reifentechnik für Klassiker
Was ist das Besondere an neuen Reifen für Klassiker? Auch wenn Marken wie Dunlop, Michelin, Pirelli und andere die klassischen Automarken schon ausgerüstet haben, als diese noch keine Klassiker waren, so werden doch die heutigen Exemplaren nicht einfach rekonstruiert, wie sie früher waren, sondern die Reifenbauer bauen die moderne Technik mit ein. Dunlop Produktmanager Michael Fett beschreibt das so: “Während die Profil- und Konturgestaltung unserer ‘Sport Classic’-Pneus im klassischen Design ist, entspricht ihre Performance dem Stand hochmoderner Reifentechnologie”. Schon damals mussten die Reifen eine starke Motorleistung auf die Straße bringen. Ein Jaguar E-Type brachte es auf bis zu 269 PS und der legendäre Mercedes Flügeltürer auf bis zu 240 PS. Moderne Reifentechnik erzielt dabei gleichzeitig gute Fahreigenschaften. Die Herausforderung für alle Hersteller in der Entwicklung klassischer Reifen besteht also darin ein Design zu schaffen, dass dem Look klassischer Fahrzeuge gerecht wird und gleichzeitig für eine bessere Traktion und Nasshaftung, ein präziseres Handling und kürzere Bremswege sorgt. Dies erreichen die Ingenieure etwa durch einen modernen Reifenaufbau sowie durch eine moderne Gummimischung.
Moderner Reifen im klassischen Look: Der Dunlop Sport Classic, präsentiert von Dunlop-Produktmanager Michael Fett.
Michelin: Umfangreiches Sortiment an Oldtimerreifen
Ein ausgesprochen umfangreiches Sortiment an Reifen für Old- und Youngtimer aus den unterschiedlichsten Epochen präsentiert Michelin, zuletzt vertreten während der Classic Days auf Schloß Dyk Anfang August. Dabei hatten die Klassikexperten von Michelin, Michael Welsch und Markus Hassa auch Neuheiten im Gepäck. So etwa Reifen für Youngtimer wie den BMW E30, Audi 80 und VW Golf. Die gesamte Palette an Pneus für Klassiker reicht von weitverbreiteten Reifenmodellen der 1930er Jahre wie dem Michelin Superconfort und dem Michelin Double Rivet bis hin zum ersten Radialreifen Michelin X von 1946. Auch der Michelin TRX, der häufig für BMW-Modelle nachgefragt wird, wurde neu aufgelegt. Insgesamt umfasst das Programm des zweitgrößten Reifenherstellers der Welt über 80 verschiedene Reifentypen in unterschiedlichen Dimensionen und Bauarten für rund 300 Fahrzeugmarken. Michelin produziert Reifen auch für Fahrzeugmodelle von der Pionier-Ära des Automobils über Radialreifen der Vorkriegszeit bis hin zu Youngtimer-Pneus. Darüber hinaus bietet der französische Reifenbauer auch für historische Renn- und Rallyefahrzeuge viele Wettbewerbspneus an. Pro Jahr fertigt das Unternehmen etwa 100.000 Reifen für dieses Marktsegment an. Bei den Reifen automobiler Klassiker halten sich die Konstrukteure streng an die Vorlage, beim Reifenaufbau, den Karkasslagen und insbesondere auch den Gummimischung hält der neueste Stand der Technik Einzug - zugunsten eines geringeren Rollwiderstandes und größerer Sicherheit.
Der Käfer rollt und rollt: Zwar nicht mehr im Neuverkauf, aber mit rund 50.000 Exemplaren ist der VW Käfer das volumenstärkste Oldtimermodell.
Michelin Neuheiten für Oldtimer
Der Anwendungsbereich für die Oldtimerreifen ist außerordentlich groß, zumal der französische Hersteller sein Protfolio noch durch zusätzliche Größen ergänzt hat. Für den VW Käfer, der sich außerordentlicher Beliebtheit auch bei den jüngeren Oldtimerfans erfreut ist die in diesem Jahr die Dimension 155R15 im Profil Michelin X neu aufgelegt worden, die auch Besitzer eines Karmann Ghia erfreut. Neu mit Michelin X bereift werden können auch die Exoten der Marke Glas 1300 und Glas 1700 GT. Das Profil Michelin XAS steht nun in 185/70 VR14 für Modelle der Alfa Romeo Giulia, Alfetta, Alfa Romeo Spider und Citroen CX bereit. Das Reifenmodell Michelin MXV3-A kann nun in der Dimension 195/65 VR14 wieder bei Ford Sierra und BMW E30 aufgezogen werden und steht in 195/60 VR14 für den Maserati Biturbo und Alfa Romeo 75 zur Verfügung.
Ein klassisches Profil: Der Michelin X - Reifen mit Radialkarkasse war eine technologische Innovation im Reifenbau und kam 1949 das erste Mal in den Markt.
Die Classic-Linien von Vredestein
Die niederländische Marke Vredestein hat sich in vielen Jahren einen Namen auch in der Szene der Oldtimerfans gemacht. Geboten wird eine große Palette an Reifen mit mehreren Produktlinien, die für zahlreiche Oldtimer eine Bereifung bieten. Die Anwendungsmöglichkeiten gehen quer durch den Oldtimer-Fahrzeugbestand, vom VW Käfer über den Aston Martin DB bis hin zu einem Bentley. Die Produktlinien für Pkw heißen Vredestein Grip-Classic, entworfen für klassische Allrad-Fahrzeuge, Vredestein Sprint Classic, mit 21 Größen die wichtigste Produktreihe für Oldtimer im Segment.
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Vredestein Sprint Classic mit moderner Technik
Hersteller Vredestein hat seine Produktlinie Sprint Classic auf den Einsatz moderner Technologie eingestellt. Der Einsatz von Silica in der Laufflächenmischung bietet sowohl unter trockenen als auch unter nassen Bedingungen eine verbesserte Straßenhaftung. Außerdem sinken der Rollwiderstand und der Geräuschpegel. Das Design von Profil und Seitenwand bietet eine klassische Optik.
Der Jaguar E-Type 5.3 Baujahr 1973 ist ein begehrter englischer Klassiker, hier bereift mit Vredestein Sprint Classic in der Dimension 205/70 VR15 96V. Der Zwölfzylinder mit 276 PS benötigt den hohen Geschwindigkeitsindex V.
Alte Größen mit neuester Technologie
Das ist der Trend bei der fortschreitenden Wiederentdeckung alter Autos und deren Bereifung. Weil sich in allein in den letzten 20 oder 30 Jahren so enorm viel in der Reifentechnologie getan hat werden Reifen für Oldtimer in den klassischen Größen mit moderner Technologie ausgerüstet. Aber nicht jeder Hersteller legt Classic-Produktlinien auf. Der deutsche Reifenbauer Continental, seines Zeichens der viertgrößte der Welt, bringt sein modernes Profil ContiEcoContact3 auch in Dimensionen heraus, die für manchen Oldtimer passen. Beispielsweise für den Manta A in der Größe 185/70 R13 86T. dabei kommt aber das klassische Design weniger zum Zuge. Allerdings sind viele Oldtimerfans froh, überhaupt einen Reifen in der originalen Größe aufziehen zu können. Denn moderne Autos fahren heutzutage andere Größen als die Autos früherer Tage. Die Räder sind größer geworden, die Reifen breiter und deren Flanke flacher. Darin liegt das Problem in der Verfügbarkeit der Reifen für Oldtimer, insbesondere bei exotischen Fahrzeugen. Wenn die Volumina nicht mehr da sind und die Nachfrage schwindet, lohnt sich die Produktion der Größen nicht. Dennoch kann die Suche im Standardprogramm der großen Hersteller durchaus noch erfolgreich sein, wie das Beispiel Continental zeigt. Aber auch Importreifen aus Fernost rollen in das Oldtimersegment: Die Hersteller Nankang mit dem bezeichnenden Markenamen Retro und Maxxis, beide aus Taiwan, wollen sich ein Stück vom derzeitigen Wachstum abschneiden.
Der Manta A lief von 1970 bis 1975 vom Band. Damals galten noch andere Seriendimensionen als heute.
Neues aus Heidenau
Wer glaubt, es gebe nur noch einen deutschen Reifenhersteller, der kennt die Reifenwerke Heidenau nicht. Das sächsische Unternehmen mit Sitz nahe Dresden produziert seit jeher Oldtimer Reifen für Zweiräder und Pkw. Dabei haben sich die Sachsen auf eine Reifenbauweise spezialisiert, die geradezu prädestiniert ist zur originalen Ausrüstung echter Oldtimer, nämlich Reifen in diagonaler Bauweise. Und in diesem Angebot sind die Heidenauer nahezu die einzigen im Markt. Die Reifen sind stilecht im Design, aber gummitechnisch auf dem neuesten Stand. Die Nachfrage veranlasste die Reifenbäcker denn auch das Sortiment gezielt auszuweiten.
Profil P29: Neue Größen für Fahrzeuge der 30er Jahre wie diesen DKW F5 Roadster. (Quelle: Heidenau/Tobias Vogt Fotografie)
P 29 mit Dimensionen für Autos der 30er
Autos aus dieser Zeit sind selten genug und die Größenpalette der Reifen sah völlig anders aus. Deshalb ist es sehr schwer originale Bereifung zu bekommen. Die diagonale Bauweise war damals absolut üblich und in seiner Zeit “state of the art”. Die Profile bei Heidenau hören auf so schlichte Namen wie P29 und neu ist die Dimension 4.50 - 17, die auch für Vorkriegsfahrzeuge der Marke Opel, BMW, Adler und Hansa passt. Auch der VW Käfer, etwa in seiner frühen Form mit Brezelfenster und Winker, rollte zuerst auf Diagonalreifen durch die Zeit. 5.60 - 15 P29 ist hier die Neuheit bei Heidenau. Und ganz brandneu und aktuell aus Sachsen kommt eine stilechte Bereifung speziell für Mercedes-Modelle aus den 50er und 60er Jahren. Mit der erweiterten Palette des P36 in der Dimension 6.40-13 kommen Autos wie der Mercedes 180 aus der Baureihe W120, der Mercedes Roadster W121 und auch der W110 wieder in Fahrt.
Heidenau P36 - jetzt ergänzt um Größen für Oldtimer von Mercedes.
Passend für Mercedes-Modelle: Anwendungsliste für den Heidenau P36.
Dunlop siegte im Reifentest
Was die neuen Reifen für alte Autos bringen, hat bereits vor einem Jahr die AutoBild getestet. Testfahrzeug war ein Mercedes 280 SL der Baureihe W107 mit der Reifendimension 205/70R14. Sieger im Test wurde der gerade neu erschienen Dunlop Sport Classic, gefolgt vom Pirelli Cinturato CN36. Der standardmäßige Maxxis MA-P1 schob sich auf den 3. Platz mit der Note “gut”, ebenso wie der Vredestein Sprint Classic. Der Michelin XWX kam mit einem “befriedigend davon, während der Nankang Retro RC001 als “nicht empfehlenswert” eingestuft wurde. Fazit der Redaktion: “Die Reifen von Dunlop und Pirelli wirken wie eine Frischzellenkur für die Fahrdynamik des SL.”
Wir wünschen weiterhin eine gute Fahrt!
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