Seit es Reifen gibt, gibt es auch Reifenpannen und seitdem denken Reifenhersteller über pannensichere Reifen nach. Durch die permanente Verbesserung der Produkte sind diese bei Pkw allerdings selten geworden. Der Statistik nach trifft es den Autofahrer nur noch alle fünf bis sieben Jahre mit einer Reifenpanne. Dennoch lässt sich der Fall nicht ganz ausschließen und die Industrie hat verschiedene Reifensysteme mit Notlaufeigenschaften entwickelt. Eine davon wird landläufig "Runflat" genannt und bereits von vielen Herstellern produziert.
Querschnitt eines selbsttragenden Reifens mit Notlaufeigenschaften. Grün markiert sind die Verstärkungen in der Flanke, auf denen der Reifen bei Druckverlust läuft.
Runflat-Reifen sind die wohl nachhaltigste Lösung für Reifen mit Notlaufeigenschaften, die bislang die weiteste Verbreitung gefunden haben. Grundidee ist die Weiterfahrt mit verminderter Geschwindigkeit auch nach einem vollständigen Druckverlust. Möglich wird dies durch eine Reifenkonstruktion mit verstärkten Seitenwänden, die ein Abplatten des Reifens verhindert. Der Reifen rollt auch nach Luftverlust auf der Flanke weiter, deshalb sprechen Fachleute auch von selbstragenden Reifen. Unterstützt wird dieser Effekt durch eine spezielle Form des Felgenhorns mit einem sogenannten "Extended Hump".
Das Prinzip eines selbsttragenden Reifens nach Runflat-Technologie im Vergleich mit einem Standard-Reifen. Bild: BMW/Bridgestone
Keinen Platten mehr
Für Autofahrer ist es ein Albtraum in strömendem Regen auf der Autobahn ohne Standstreifen mit einem platten Reifen liegen zu bleiben. Der selbsttragende Reifen schafft die Lösung, weil er den Radwechsel an Ort und Stelle überflüssig macht und die Weiterfahrt bis in die nächste Werkstatt ermöglicht.
Vor allem der Autohersteller BMW hat zur Verbreitung dieses Sicherheitssystems beigetragen. Mit der Erhebung der Runflat-Reifen zum Serienstandard seit dem Jahr 2000 am BMW Z8 und in der Folge mittlerweile auf den 1er, 3er Limousinen,dem 6er, Z4, Z8 und dem Mini Cooper S erlebte das System den Durchbruch. Insgesamt werden bei BMW schon 65 Prozent mit dieser Reifenkonstruktion optional geordert. Zum ersten Mal kam der selbstragende Reifen allerdings schon 1997 auf der Chevrolet Corvette C5 vom Hersteller Goodyear zum Einsatz, damals unter der Beszeichnung "EMT" für "Extended Mobility Tire".
Reifendruckkontrollsystem ist Pflicht
Diese Reifenkonstruktion ist derart stabil, dass bei der Verwendung selbstragender Reifen unbedingt ein Reifendruckkontrollsystem (RDKS, TPMS, bei BMW Reifen Pannen Anzeige, RPA) notwendig ist, um einen eventuellen Luftdruckverlust anzuzeigen. Es besteht die Gefahr, dass ein Druckverlust zunächst unbemerkt bleibt. Denn auch ohne Luftdruck bleibt das Fahrzeug noch gut manövrierbar. Einlagen aus besonders hitzebeständigen Gummimischungen in den Reifenseitenwänden verhindern, dass sich der drucklose Reifen walkend bis zum Reifenbrand erhitzt.
BMW spricht von einer problemlosen Weiterfahrt über eine Distanz von 150 Kilometern bei 80 km/h in beladenen Zustand des Fahrzeuges. Ursprünglich war für Reifen mit Notlaufeigenschaften eine Mindestdistanz von 80 km bei 80 km/h erstrebt. Mittlerweile ist die mögliche Laufstrecke bei Runflatreifen und nicht ganz drucklosem Reifen sowie geringerer Beladung um ein Vielfaches höher.
Kein Vorteil ohne Nachteil
Reifen dieser Art bieten enorme Vorteile, was die Pannensicherheit angeht. Dagegen bringt aber die verstärkte Seitenwand auch mehr Gewicht des einzelnen Reifens am Rad in Form ungefederter Massen auf die Waage. Dies bedeutet bei Beschleunigungsvorgängen einen höheren Energieaufwand, sprich Benzinverbrauch. Hersteller wie BMW werben dagegen mit insgesamt weniger Gewicht und mehr Kofferraumvolumen, weil hier der Wegfall von Reserverad und Wagenheber gegengerechnet wird. Beklagt werden die geringeren Dämpfungseigenschaften und der schlechtere Komfort gegenüber den Standardreifen, was durch die Konstruktion der verstärkten Seitenwand durchaus nachvollziehbar ist. Sensible Sportfahrer bemängeln zudem die schwächere Rückmeldung der Reifen, wohingegen die Härte mancher Kanaldeckel eher zu den Passagieren druchschlägt. Die Reifenhersteller waren in der Vergangenheit bemüht, eben diese Kritikpunkte zu verbessern. Für den ADAC bestehen keine Nachteile. Einen Nachteil sieht der Club allerdings doch: Die Runflat-Reifen sind etwa 20 Prozent teuerer.
Viele Kennungen für ein Prinzip
Zur Bezeichnung selbstragender Reifen mit Notlaufeingeschaften gibt es (noch) keine Norm, die etwa in der ETRTO, einer Liste für alle Reifen- und Felgennormen in Europa, fixiert wäre. Leider verwendet jeder Hersteller seine eigene Zusatzkennung für das gleiche Reifenbauprinzip und trägt damit zur Verwirrung bei. Die häufigste Bezeichnung für das Konstruktionsprinzip mit verstärkten Seitenwänden ist “Runflat Tyre” mit der Abkürzung RFT. Daneben existieren noch weitere Kürzel:
RoF (Run on Flat) Goodyear
DSST (Dunlop Self Supporting Technology) Dunlop
SSR (Self Supporting Runflat Tire) Continental
ZP (Zero Pressure) Michelin
RSC (Runflat System Component) Mini/BMW-Reifen Erstausrüstung
XRP (Extended Runflat Performance) Kumho
RFT (Run Flat tires) Bridgestone
EMT (Extended Mobility Tire) Goodyear
HRS (Hankook Runflat System) Hankook
Das könnte Sie auch interessieren:
- Ursachen: Warum ein Reifen platzen kann
- Wie sollte ich reagieren, wenn ein Reifen platzt?
- Reifenluftdruck am Auto messen: Anleitung und Profi-Tipps
- Fortschritte bei Winterreifen - ABS, ESP und Co.
- Reifendruckkontrollsystem (RDKS): Wichtige Informationen im Überblick
- Räder auswuchten: Pflicht oder Kür?
- Jetzt ist es Gesetz: Die veränderte Winterreifenpflicht tritt in Kraft
- GTÜ testet Reifenpannensets
- Konzeptreifen aus dem 3-D-Drucker - pannensicher, luftlos und bionisch