Die Runde der Reifentests dürfte derzeit nahezu abgeschlossen sein. auto motor und sport, autozeitung, AutoBild und die anderen einschlägigen Zeitschriften haben ihre Tests veröffentlicht. Das ist auch gut so, schließlich sollen die Tests bei der Kaufentscheidung eine Rolle spielen können, das ist im Sinne der Leser. Aber wie gehen eigentlich die Tester vor? Was ist interessant zu wissen, um die Tests richtig einzuordnen. Und wie objektiv sind die Tests eigentlich?
Winterreifentest beim ADAC. Foto: Wolfgang Grube
An der Objektivität von Reifentests kommen immer wieder Zweifel auf. Das ist nicht ganz ohne Grund so. Das letzte “Reifengate” liegt gerade mal ein Jahr zurück und betrifft einen finnischen Reifenhersteller, der zugegeben hatte, über viele Jahre bei Reifentests betrogen zu haben. Die Finnen schickten eigens für den Test präparierte, speziell angefertigte Reifen an die Redaktionen, um bei den Ergebnissen gut weg zu kommen - was dann auch der Fall war. Die Tester merkten den Betrug nicht, denn aufgeklärt wurde die Geschichte von einer finnischen Zeitung, die an interne Emails herankam.
Glaubwürdigkeit auf die Probe gestellt
Unter anderem wegen der umfassenden Testmanipulationen mußte der damalige CEO des Herstellers gehen. Aber die Glaubwürdigkeit der Reifentests wurde ganz allgemein in Zweifel gezogen, obwohl die Tester selbst auch unter den Betrogenen waren. Um in Zukunft aber derartige Betrügereien so weit es geht unmöglich zu machen, kaufen seriöse Tester die Reifen verdeckt im Handel. Das ist nicht ganz einfach, weil von einer Marke immer mehrere Sätze benötigt werden. Da kann ein einzelner Händler schon mal stutzig werden. Aber es ist wichtig, diese Vorgehensweise im Testbericht auch klar zu stellen. Beispiel: ADAC und AutoBild verfahren so.
Reifentests allgemein werden gerne angezweifelt.
Nicht immer besteht ein echter Grund.
Jede Dimension kann anders sein
Warum eine bestimmte Dimension in den Test kommt, wird in den meisten Testberichten deutlich. Es geht um Reifen für eine bestimmte Fahrzeugklasse. Zu beachten ist aber, dass die Testergebnisse deshalb nicht einfach auf die ganze Range und alle Autos übertragen werden können. Höchstens bei angrenzenden Größen sind die Testwerte ähnlich. Wer die Resultate auf seinem eigenen Auto annähernd wiederfinden will, sollte beachten, auf welchem Fahrzeug die Ergebnisse erzielt wurden. Denn ganz allgemeingültig reproduzierbar sind auch Testresultate nicht. Die auf einem Fronttriebler erhaltene Reihenfolge der Ergebnisse kann auf einem Hecktriebler schon anders aussehen.
Reifenprofilauswahl für den
Winterreifentest des ADAC 2016.
Welches Profil kommt in den Test?
Das Angebot an Reifen im hiesigen Markt ist riesig. Da ergibt sich aber die Frage, nach welchen Kriterien die Redakteure ihre Testprodukte zusammenstellen. Das ist in den Testberichten in den meisten Fällen sehr schwer herauszulesen. Die Teilnahme an einem Test sorgt unabhängig vom Ergebnis auch für eine gewisse Popularität, weshalb einige Hersteller oder Importeure von wenig oder gar nicht bekannten Marken ihre Reifen den Testern geradezu aufdrängen - was nicht heißt, dass sie damit zum Zug kommen. Es gibt aber auch objektive Kriterien, beispielsweise die Abbildung aller Preisklassen: Sind alle Preisgruppen (Premium, Quality und Budget) vertreten oder werden nur Premium-Marken verglichen? Dann dürften im letzten Fall die Unterschiede nicht so groß sein. Sind verschiedene Marken eines Herstellers vertreten oder ist ein Markenhersteller nur mit einer Zweitmarke vertreten? Da aber nicht jeder Leser sich im Markenwirrwarr der Reifen auskennt und weiß, welche Marken zu welchem Konzern gehören, sollte der Testbericht hier Aussagen bringen. Am besten wäre es, wenn die Tester ihre Auswahl begründen. Leider ist das nur allzu selten der Fall.
Neue Modelle sind (meist) besser
Neue Reifenmodelle, die erst vor kurzem entwickelt worden sind, sind oft besser als ihre Vorgängermodelle. Auch hierüber sollte ein Testbericht Informationen enthalten. Denn gerade bei Winterreifentests kommt es häufig zu einem Zeitversatz, wie es etwa bei dem jüngsten Ganzjahresreifentest der AutoBild der Fall ist. Da die Wintereigenschaften schon im vergangenen Winter getestet werden mussten, konnte der aktuelle AllSeasonContact von Continental nicht teilnehmen, weil der Reifen erst im Sommer in den Markt gekommen ist.
Die spezielle Auswahlmethode:
Casting durch Bremstest.
Methode Auswahltest
Die AutoBild als Testzeitschrift hat ein Verfahren entwickelt, das besonders plausibel ist. Aus 50 Reifenprofilen, die einen guten Querschnitt aus dem Markt wiedergeben können, qualifizieren sich 15 Marken durch einen Auswahltest Bremsen nass und trocken. Damit liegt der Auswahl eine Disziplin zugrunde, die gerade im Alltag besonders wichtig ist. Vor allem: Das ist für den Leser nachvollziehbar. Bei anderen Tests ist das nicht immer der Fall. Manchmal bleiben Fragen offen, warum nun ein Hersteller gleich mit zwei Marken vertreten ist, und mancher Premiumhersteller eben gar nicht vertreten ist.
Reifentest der GTÜ: Bremsen auf Schnee.
Die Testdisziplinen
Zentrale Kriterien sind natürlich die Testdizplinen, die in den Tests fast ausnahmslos minutiös grafisch dargestellt werden. Bremswege nass, trocken und auf Schnee, Aquaplaning längs und quer, Handling trocken, nass und auf Schnee, Fahren in der Kreisbahn auf Nässe - alle diese Disziplinen gehören zum Standardprogramm. In den letzten Jahren wurde noch das Vorbeifahrgeräusch und der Rollwiderstand wichtiger. Letzteres deshalb aus gutem Grund, weil der Spritverbrauch der Reifen von dieser zuletz genannten Eigenschaft mitbestimmt wird.
Das Testgelände
Was meist untergeht: Es ist nicht unerheblich, wo diese Tests durchgeführt werden. Keine Zeitschrift oder Institution, wie etwa der ADAC oder die GTÜ verfügen über eigene ausgedehnte Testgelände, auf denen diese aufwändigen und zeitraubenden Fahrversuche durchgeführt werden können. Deshalb finden die Tests ganz vorzugsweise - aus Kostengründen - auf den Geländen der Industrie statt. In Deutschland wird hier sehr eifrig das Contidrom genutzt. Dadurch werden die hier heimischen Produkte in den Sommer- bzw. Nass- und Trockeneigenschaften leicht bevorzugt, weil diese eben auf diesen Untergründen und Asphalt entwickelt worden sind. Die Testberichte in den Magazinen verschweigen das allzu gern, vielleicht, weil die Objektivität dann leicht angezweifelt wird.
Alpen oder Ivalo
Für die Wintereigenschaften reisen die Tester sehr oft in den Norden Skandinaviens. Am Polarkreis bei Ivalo in Finnland nutzen mehrere Reifenhersteller verschiedene Testgelände. Oder es geht auf einen schneesicher verschneiten Alpenpass, beispielsweise den Albula. Aufgrund der hohen Kosten, die Reifentests verschlingen, sind immer auch Kooperationen gefragt. So etwa der ADAC mit der Stiftung Warentest und dem ÖMTC oder die GTÜ mit der Clubzeitschrift ACE Lenkrad. Dabei können durchaus durch eine unterschiedliche Wertung oder Gewichtung bestimmter Disziplinen die Ergebnisse ebenfalls unterschiedlich sein.
Winterreifen testen heißt auch ständige
Reifenwechsel durchführen.
Alle Tests sind relativ
Testergebnisse stehen eben nicht absolut da, sonder sind relativ zu sehen, je nachdem was die Testmannschaft für Maßstäbe setzt. Neben dem Gelände und dem Fahrzeug ist auch die Temperatur während der Durchführung der Disziplinen von zentraler Bedeutung. Diese wird aber meist im Magazin für den Leser nicht dokumentiert. So lassen sich gleiche Resultate auf einem anderen Testgelände zu einer anderen Zeit und Temperatur kaum erreichen.
Wie lange hält ein Reifen? Dieser Frage wurde lange Zeit bei vielen Tests nicht berücksichtigt. Weil das einen Test noch aufwändiger macht. Inzwischen sind bei manchen Magazinen durchaus Angaben zu lesen. Da hier aber der individuelle Fahrstil ein entscheidender Einflussfaktor ist, sind zwar die einzelnen Ergebnisse eines Tests untereinander vergleichbar. Die eigene Erfahrung kann aber ein ganz andere sein. Reifentests sind relativ - aber deshalb nicht unglaubwürdig.
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